Dienstag, 30. Juni 2009

Von der Faszination langer Slacklines

Eines der inspirierendsten Slackline-Videos für mich war der Film zu Damian Cookseys erstem Longline-Rekord 2007 in Warschau. Vor einem Jahr, als blutiger Anfänger, war das für mich der Stoff, aus dem die Slackline-Träume sind. Aus damaliger Sicht erschien es mir unmöglich, jemals solche langen Leinen zu gehen, denn dafür ist ein absolut ruhiger Laufstil und die totale Kontrolle über die Leine nötig. Für mich, der ich damals hart daran arbeitete, über meine 25m-Slackline auf voller Länge zu kommen und mich riesig freute, als ich es zum ersten Mal armerudernd schaffte, völlige Utopie. Aber man braucht ja was zum Träumen.



Als wir uns im Spätsommer mit dem ersten Equipment für längere Leinen eindeckten und uns mit einer Menge an Band versorgten, die nach oben alles offen ließ, verschob sich die Perspektive etwas. Das Longline-Gehen faszinierte mich ungemein. Die lange Zeit, die man in einem Fluss auf der Leine verbrachte, in voller Konzentration, versunken in einer anderen Welt. Es war und ist für mich real erlebte Surrealität. Und natürlich will man die eigenen Grenzen immer weiter hinausschieben.

Die anfängliche Euphorie bekam für mich erstmal einen kräftigen Dämpfer. Bei einem der ersten Versuche auf einer 60m-Leine kippte ich beim Sitzstart so ungünstig ab, daß ich die Leine nicht festhalten konnte und mit der Hüfte zuerst auf den Boden schlug. Eine schmerzhafte Muskelprellung war die Folge. Die Vorteile des Chongostarts hatten wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht erkannt.
Eigentlich war an Slacklinen erstmal nicht zu denken, denn jede verdrehende oder beugende Bewegung in der Hüfte tat heftig weh.
Trotzdem quälte ich mich zwei Tage später unter Schmerzen erfolgreich über die 60m-Leine. Ich konnte mir keine Hose schmerzfrei anziehen (ein Zustand, der noch zwei Wochen anhalten sollte), aber Longlinen mußte gehen ... das Virus hatte mich entgültig infiziert.

Bis in den Herbst schoben Sebastian und ich unser persönliches Limit bis auf 75 Meter. Es war ein herrliches Gefühl, über die goldenen Blätter zu schweben. Danach klopfte der November an die Haustür. Über zwei Monate war nur noch Schlammwetter angesagt und man verirrte sich kaum noch mit der Slackline in den Park.
Die Faszination schwand jedoch nicht - zu Weihnachten wurde der Ausrüstungshaufen kräftig aufgestockt. Wir leisteten uns jeweils ein Paar richtig gute kugelgelagerte Doppelrollen und die quietschenden schleifgelagerten Camp-Rollen wurden in den Schrank verbannt.

Frisch motiviert durch das neue Equipment geht es dieses Jahr also in die Vollen. Angespornt durch die ersten Erfolge jenseits der magischen 100m-Grenze in den letzten Monaten rückte der Traum des ersten Cooksey'schen Longline-Rekords nun in greifbare Nähe.
Nachdem ich mit Moritz bei viel Wind das Longline-Verhalten über 115 Meter evaluiert hatte, wollte ich es am vorvergangenen Mittwoch versuchen. Bei wunderschönem Sonnenschein und einem weitestgehend menschenleeren Alaunpark spannte ich wieder gemeinsam mit Moritz eine Longline, die mir nach Schrittmaß lang genug erschien. Obwohl ich mir am Wochenende zuvor eine Erkältung zugezogen hatte, konnte ich die Leine ziemlich lässig jeweils in beide Richtungen durchgehen.
Es fühlte sich einfach wunderbar an, keine ernsthaften Schwierigkeiten, weitestgehend völlig entspanntes Gehen. Kein Kampf, wie noch am Donnerstag zuvor - die Wetterbedingungen waren einfach perfekt.
Nochmaliges genaues Nachmessen ergab dann leider, daß die Leine nur 120m lang war ... knapp unterboten. ;-)

Also mußte ich letztes Wochenende noch mal ran. Beim Abgehen der verschiedenen Baumkombinationen für die 120m hatte ich eine 130m-Möglichkeit entdeckt, an die ich mich nur noch nicht rangetraut hatte. Genaues Nachmessen mit Sebastians neuem Spielzeug (einem GPS-Gerät) bestätigten mir die 130m. Also wurde die Leine am letzten Sonnabend bei schwühl-feuchtem Wetter aufgebaut.
Leider hatte ich beim ersten Mal den Flaschenzug etwas knapp bemessen. Die Fußfreiheit betrug in der Mitte nur noch wenige Zentimeter über der Grasnarbe, so daß die ersten Versuche, die Leine zu gehen, immer genau dort endeten. Also nochmal neu gespannt. Beim zweiten Mal waren die Parameter perfekt, zwischen 30-40 cm Bodenfreiheit in der Mitte, ungefähr 2m Durchhang.


Auf der frischgespannten Leine klappte gleich der erste Versuch, auch der Rückweg war kein Problem. Für die Fotos konnte ich sie sogar noch ein drittes Mal durchgehen.


Danke an Sebastian und Moritz für die Bilder und unbekannterweise an den Bäcker und den Physikstudenten für die Hilfe beim Aufbau! :-)

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